Von Korbach nach Newcastle – Arbeiten in Großbritanien

NETWORK: Was war für dich ausschlaggebend, dass du den Schritt ins Ausland gewagt hast?

Sebastian: Meine berufliche Heimat habe ich eigentlich in Waldeck-Frankenberg gesehen. Durch meine Ausbildung bei KoCoS und dem damit verbundene Praktikum in England bekam ich einen ersten Einblick in internationales Wirtschaftsgeschehen. Das hat mich neugierig gemacht. Ich wollte weitere Erfahrungen sammeln und eine andere Kultur kennenlernen. Deshalb entschied ich mich, die mir angebotene Stelle in Newcastle anzunehmen.

NETWORK: Was waren für dich die größten Schwierigkeiten, als du deinen Lebensmittelpunkt nach England verlegt hast?

Sebastian: Das größte Problem bestand für mich in der englischen Sprache. Hier im Norden Englands sprechen die Menschen einen ziemlich starken Akzent, der es umso schwieriger macht seinen Gesprächspartner zu verstehen. Schwierig waren für mich auch die Behördengänge und weitere Angelegenheiten, die nötig sind, um hier arbeiten zu können. Vorgänge, die in Deutschland einfach zu erledigen sind, werden im Ausland zu Herausforderungen. Eines der ersten Probleme, auf das ich gestoßen bin, war, dass ich ohne englisches Bankkonto keine Wohnung mieten konnte, aber auch ohne englische Adresse keine Konto eröffnen.

NETWORK: Wie hast du die Sprachbarriere abgebaut?

Sebastian: Ich habe mich selbst ins kalte Wasser geschmissen. Da ich auch relativ spontan nach England gezogen bin, war für einen Sprachkurs oder ähnliches keine Zeit mehr. Es ist wichtig, schnell neue Leute kennenzulernen, um die Sprachkenntnisse zu verbessern, weshalb ich mich zeitnah nach einem Fußballverein umgesehen habe, aber auch ein Sprachkurs kann sicherlich nicht schaden. Das größere Problem war allerdings nicht die Sprache selbst zu sprechen, sondern die Menschen zu verstehen, da hier im Norden ein starker Akzent gesprochen wird.

NETWORK: Welche Tipps kannst du Leuten geben, die vor ähnlichen Problemen stehen?

Sebastian: Wenn man für längere Zeit ins Ausland geht, um dort zu arbeiten, kann ich nur raten, sich in Deutschland bestmöglichst über die verschiedenen Angelegenheiten zu informieren. Vieles wird doch anders gehandhabt als in Deutschland, was dann durchaus zur Herausforderung werden kann, wenn man überhaupt keine Informationen hat. So hat mir beispielsweise das Eröffnen eines Bankkontos große Probleme bereitet, da man dieses nur eröffnen kann, wenn man eine Adresse in England besitzt, eine Wohnung aber nur mieten kann, wenn man bereits ein Konto bei einer englischen Bank eröffnet hat.

NETWORK: Du hast in zwei unterschiedlichen Ländern gearbeitet. Wie unterscheidet sich das Geschäftsleben in Großbritannien zu dem in Deutschland?

Sebastian: In unserer Branche wollen die deutschen Unternehmen immer auf dem neuesten technischen Stand bleiben und sind an neuen Produkten interessiert. Die Engländer agieren eher nach dem Grundsatz: “If it’s not broken, don’t fix it”. Es ist somit sehr schwer die Unternehmen für technische Neuentwicklungen zu begeistern. Auch das Arbeitszeitmodell ist in England etwas anders, eine vierzig Stundenwoche ist für die Leute hier fremd. 36 Stunden sind die Regel. Den Kontakt zu Kunden und Zulieferern pflegt man auf einer freundschaftlichen Basis, was schon damit beginnt, dass man sich mit Vornamen anredet.

NETWORK: Was schätzt du an den Leuten in England? Was können sich die Deutschen von Ihnen abschauen?

Sebastian: Die Menschen in England sind auf jeden Fall freundlicher und zuvorkommender als die Deutschen. Ob im Bus oder an der Supermarktkasse, die Menschen hier sagen lieber einmal mehr Bitte und Danke als einmal zuwenig.

NETWORK: Kannst du dir eine berufliche Rückkehr in den Landkreis vorstellen oder ist diese aktuell für dich ausgeschlossen?

Sebastian: Meine Entscheidung in Newcastle zu arbeiten, habe ich vor dem Hintergrund getroffen, dass ich nach einer gewissen Zeit wieder in der Landkreis zurückkehren werde. In den kommenden Jahren möchte ich dennoch gerne in England arbeiten, um weitere Erfahrungen zu sammeln. Wenn ich zurückkomme, dann auf jeden Fall in den Landkreis, da ich dort meine Familie und Freunde habe. Ich denke die Region entwickelt sich aktuell gut, sodass ich mir keine großen Sorgen mache, dort keinen Arbeitsplatz zu finden.

NETWORK: Ist eine Karriere wie deine auch nach dem Brexit noch möglich?

Sebastian: Momentan recht unklar ist, welche Folgen der Brexit tatsächlich mit sich zieht. Sonderregelungen für Europäer werden wohl unumgänglich sein und auch der bürokratische Aufwand wird sich erhöhen. Besonders interessant ist für mich, wie die Rente geregelt sein wird. Aktuell würde ich aufgrund der EU-Regularien auch in Deutschland Rente bekommen,  dies wird sich mit dem Brexit höchstwahrscheinlich ändern.

Zur Person:

Sebastian Jansen, 1991 geboren, absolvierte das Abitur im Jahr 2011 an der Alten Landesschule. Im Anschluss an seine Schullaufbahn entschied er sich für eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei der Firma KoCoS in Korbach. Während seiner Abschlussprüfung machte er zunächst ein mehrwöchiges Praktikum im nordenglischen Newcastle an der Tyne, bevor er sich im Sommer 2015 dafür entschied, seinen Lebensmittelpunkt  auf die Insel zu verlegen. Dort ist er nun für die Verkauf und Vertrieb des Messtechnikherstellers verantwortlich.