Über den facettenreichen Wirtschaftsstandort Waldeck-Frankenberg

NETWORK: Herr Dr. Kubat, Sie haben Ihr Abitur in Korbach absolviert, haben daraufhin in Marburg studiert und promoviert und waren in verschiedenen Städten Deutschlands berufstätig. Was hat Sie schließlich dazu motiviert nach Waldeck-Frankenberg zurückzukommen?

Dr. Kubat: Nach meinem Biologiestudium und der Promotion in Marburg trat ich meine erste Anstellung in der Pharmabranche in Frankfurt an.

Danach wechselte ich in ein Umweltlabor nach Hannover, in dem ich für die Umweltverträglichkeitsprüfung zuständig war. Meine dortigen Zukunftsaussichten waren sehr gut. Jedoch wurde das Heimatgefühl in mir geweckt, als die Frage aufkam, wer den elterlichen Hof in Meineringhausen übernehmen sollte. Meine Frau und ich entschieden uns nach Meineringhausen zurückzukehren. Diese Entscheidung war mutig: Ich verließ einen guten Beruf und ging, jung verheiratet und mit kleinem Kind, einer beruflich ungewissen Zukunft entgegen. Durch viel Unterstützung konnten wir in unserer Heimat schnell Fuß faßen. Ich bin dann in der Umwelt- und Landschaftsplanung tätig geworden. Durch gute Aufträge konnte ich mich beruflich schnell etablieren. Wichtig dafür war natürlich auch unsere Tätigkeit in verschiedenen Vereinen und Verbänden. Als Biologe trat ich in Naturschutzverbände ein, als Kommunalpolitiker bekleidete ich das Amt des Ortsvorstehers. Über diesen Weg wurde ich in der Regionalentwicklung tätig, die ich nun seit 20 Jahren aktiv und mit voller Leidenschaft betreibe. Dass wir diesen Weg gegangen sind, kann man wahrscheinlich auch auf die jugendliche Unbedarftheit schieben. Ich habe es jedenfalls nicht bereut und möchte an junge Menschen appellieren mutig zu sein.

NETWORK: Leider endet nicht jede Karriere nach der Rückkehr in die Heimat wie die Ihre. Grade junge Leute bleiben daher oft dem Landkreis fern. Können Sie uns schildern wie Sie den Fachkräftemangel im Landkreis wahrnehmen, wo dieser zutage tritt und wie er sich auswirkt?

Dr. Kubat: Man muss den Fachkräftemangel differenziert sehen. Sie wollen mit NETWORK junge Akademiker ansprechen, die für das Studium weggezogen sind und wenig Perspektive im Landkreis finden. Dazu muss man fairerweise sagen, dass wir nicht für alle akademischen Berufsbilder die adäquaten Arbeitsplätze anbieten können. Das betrifft insbesondere naturwissenschaftliche Disziplinen wie Chemie, Physik und Mathematik. Diesen Wissenschaften haben es schwer, da wir den breiten Branchenmix, wie er in den Metropolen gegeben ist, hier nicht haben. Das macht es für Akademiker dieser Disziplinen zugegeben schwieriger. Jedoch haben wir beispielsweise im medizinischen Bereich einen großen Bedarf. Die Menschen wollen auch auf dem Land eine gute medizinische Versorgung in Anspruch nehmen. Das Kreiskrankenhaus in Frankenberg ist akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Marburg und bildet gerne Studenten aus. Es liegt nun an uns sie auf Dauer hier zu halten. Auf der anderen Seite gibt es einen besonderen Bedarf an Ingenieurswissenschaften im Landkreis. Händeringend suchen Firmen wie Vissmann, Conti oder Holingworth nach spezialisierten Fachkräften. Wir haben also einerseits Bedarf an Fachkräften der Akademiker, aber können ihnen auch nicht eine komplette Bandbreite an Arbeitsplätzen bieten. Von außen wird die Wirtschaftskraft in Waldeck-Frankenberg oft nicht so gesehen, wie ich sie wahrnehme: Nach dem Arbeitsamtsbezirk Fulda hat unser Landkreis die zweitgeringste Arbeitslosenquote. Das ist ein direkter Indiz für die Wirtschaftskraft im Landkreis. Es gibt also nicht nur die Global Player Conti und Vissmann, sondern eine breit aufgestellte Wirtschaft. Junge Leute werden, wenn sie sich zum Beispiel bei NETWORK über die Angebote im Landkreis erkundigen, staunen, erstaunt sein über die Vielfalt an beruflichen Perspektiven, die es hier gibt.

NETWORK: Sie haben bereits viele wichtige Aspekte genannt, die junge Akademiker zu einer Rückkehr in unseren Landkreis bewegen können. Welche drei Gründe, die junge Leute zu einer Rückkehr bewegen dürften, sind Ihnen besonders wichtig?

Dr. Kubat: Erstmal unsere breit aufgestellte Wirtschaft, die sich aus dem starken Handwerk und aus der industriellen Fertigung zusammensetzt. Zweitens die Landschaft im Landkreis mit ihrem Nationalpark, den drei Seen: Edersee, Diemel- und Twistetalsperre sowie die vielen Möglichkeiten sich sportlich zu betätigen. Natur und Landschaft sind ein tolles Argument.

Drittens gibt es hier einen der stärksten Kur- und Rehabilitationsstandorten. Bad Wildungen ist beispielsweise nach wie vor an zweiter Stelle anhand der Übernachtungskapazität und -zahlen im Bereich des Kur- und Rehawesens hinter Bad Füssing. Aber der vierte und wichtigste Punkt sind die netten Menschen hier. Sie sind tugendhaft und fleißig. Darüber kann man sich als Landrat nur freuen.

NETWORK: Es gibt sie also, die guten Gründe in den Landkreis Waldeck-Frankenberg zurückzukommen. Sie haben zahlreiche Aspekte genannt. Wir danken Ihnen herzlich für das Interview, Herr Dr. Kubat!

Dr. Reinhard Kubat hat der Veröffentlichung dieses Interviews zugestimmt und sämtliche Rechte daran an NETWORK waldeck|frankenberg abgetreten. Eine anderweitige Verbreitung oder Verwendung obiger Inhalte ist nur nach schriftlicher Genehmigung gestattet.

Zur Person:

Dr. Reinhard Kubat, geboren 1958 in Korbach, studierte nach seinem Abitur Biologie in Marburg und promovierte 1989. Sein Weg führte ihn über Frankfurt und Hannover zurück ins Waldecker Land. 8 Jahre lang war er bis 2001 als Geschäftsführer der Regionalen Entwicklungsgruppe Kellerwald-Edersee. In dieser Zeit wurde er kommunalpolitisch tätig. 2001 trat er das Bürgermeisteramt in Frankenau an. Heute ist er als Landrat auch Vorsitzender der Naturlandstiftung, der „Freunde der Quernst“ sowie Bundesvorsitzender des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“.

www.reinhardkubat.de