Kampf den Insektenstichen – mit dem heat_it

Herbst 2016. Kitesurfen an der Ostsee. Getrieben von der Inspiration auf Reisen, sinniert Lukas Liedtke über eine Geschäftsidee. Was ihn dabei von anderen unterscheidet: Es ist keine dieser Ideen-Spinnereien mit Lippenbekenntnis-Charakter, keine Luftschlossmalerei für Risikoscheue. Der 27-jährige Maschinenbauingenieur aus Waldeck-Frankenberg hält an seiner Überlegung fest – und gründet zusammen mit drei Kommilitonen im Jahr 2018 ein Start-up, das sich das Bekämpfen von Insektenstichen zum Ziel gesetzt hat. Ihr Produkt: Der heat_it. Ein Gespräch über Business Angel, Durchsetzungsfähigkeit, Juckreiz und 50 Grad Celsius.

 

NETWORK: Wie simpel muss eine Idee sein, damit sie erfolgreich ist?

Unsere Idee ist natürlich nicht besonders komplex. Ich bin aber heilfroh, dass das Produkt keine komplexe Technologie ist – denn bis ein Medizinprodukt dann mal wirklich auf dem Markt ist, ist es ein wahnsinnig langer Weg. Je einfacher die Idee, desto besser, die Herausforderungen liegen ja oft im Detail. Das heißt, eine einfache Idee ist auch einfach verstanden und man kriegt schnell Feedback aus dem Umfeld, ob die Idee ankommt oder nicht.

 

NETWORK: Ihr wollt mit dem heat_it, einem Insekten-Stick, den Medizinmarkt bereichern. Warum sollte euer Produkt in jedem Medizinschrank liegen?

Es sollte überhaupt nicht im Medizinschrank liegen. Die Idee ist, dass man ihn immer am Schlüsselbund zur Hand hat. Das sehen wir auch als Vorteil, denn in der Regel hat man ja auch das Smartphone als Schnittstelle für den Stick immer dabei. Die Leute, die das Produkt schon kennen, sind in der Regel sehr begeistert, ein Teil muss aber auch noch überzeugt werden. Der heat_it ist zwar ein Standardprodukt, betrifft aber letztlich uns alle. Wenn ich nachts wach werde und es juckt ein Mückenstich, dann drücke ich den Stick kurz drauf und kann beruhigt weiterschlafen.

 

NETWORK: Mich hat eine Wespe gestochen. Wie lauten die Schritte im Einzelnen, um den Stich mit eurem Produkt zu behandeln?

Als Erstes wird der heat_it in das Smartphone gesteckt, die App öffnet sich automatisch. Dann wird die Insektenart ausgewählt, in diesem Fall also die Wespe. Zusätzlich ist noch der Empfindlichkeitsgrad der Körperstelle auswählbar und ob es sich bei der gestochenen Person um ein Kind oder einen Erwachsenen handelt. Danach heizt der heat_it kurz vor, kann auf die Haut gedrückt werden und der Stich ist geheilt.

 

NETWORK: Welche Vorteile hat der heat_it im Vergleich zu anderen Produkten wie Salben oder Kühl-Roll-ons, die sich am Markt etabliert haben?

Der Behandlungserfolg ist höher, dazu gibt es Studien. Der Juckreiz ist innerhalb weniger Sekunden verschwunden. Zusätzlich kommt unser Produkt völlig ohne Chemie aus, ich muss mir nichts auf die Haut schmieren, es riecht nicht komisch und ich kann keine allergischen Reaktionen entwickeln. Konkret im Vergleich zu anderen Geräten, die dasselbe Wirkprinzip nutzen, ist unseres sehr klein, es kann bequem am Schlüsselbund mitgeführt werden. Über die App lässt sich außerdem eine erweiterbare Einstellung realisieren, das bieten Konkurrenzprodukte nicht.

 

NETWORK: Was genau passiert mit dem Körper, wenn der Stick verwendet wird, wie lässt sich der Heilungsprozess beschreiben?

Ähnlich wie bei einem Ei, das gekocht wird, ändert sich bei einer bestimmten Temperatur die Zusammensetzung der Moleküle, sie brechen auseinander – was zur Folge hat, dass das Gift dann nicht mehr so wirksam ist. Allerdings ist das mittlerweile eher umstritten. Man geht eher davon aus, dass durch diesen kurzen Hitzeschmerzreiz die Reaktion des Immunsystems herausgefordert wird. Das heißt, es kommt zu einer Regulierung der Histaminausschüttung, die für den Juckreiz verantwortlich ist. Und durch die Hitze kann dieser Juckreizteufelskreis dann durchbrochen werden. Es ist noch unklar, warum es funktioniert, das ist noch Gegenstand der Forschung. Aber dass es funktioniert, haben diverse Studien gezeigt.

 

NETWORK: Wie finanziert ihr die Herstellungskosten für euer Produkt?

Neben Business Angel – das sind Personen, die gegen Firmenanteile ihr Geld in junge Unternehmen investieren und wertvolles Know-how einbringen – haben wir eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Bis Mitte August kann man uns noch mit einem bestimmten Geldbetrag unterstützen und kriegt dafür als Dankeschön unseren heat_it. Ziel ist es, 50.000 Euro einzunehmen. Dieses Geld wird dann nicht nur für die Herstellungskosten verwendet, sondern auch zur medizinischen Zulassung. Wenn wir unser Kampagnenziel erreichen, können wir das Produkt besser nach außen vertreten und dadurch auch andere Finanzierungsquellen erschließen.

 

NETWORK: Ist das Produkt international skalierbar?

Klar, das ist der Plan. Die Zulassung, die wir aktuell anstreben, ist europaweit gültig. Wir sind aber auch schon in Gesprächen für den Vertrieb nach Fern-Ost, also Taiwan, China, Asien insgesamt, sodass wir das schnell auf eine solide Basis stellen können.

 

NETWORK: Wann wird deiner Meinung nach aus einem Start-up auch schnell mal ein Start-down und welche Vorkehrungen habt ihr getroffen, um das zu verhindern?

Das schwingt sicherlich immer mit und es ist auch Teil der Motivation, 70-80 Stunden pro Woche zu arbeiten, damit das nicht passiert. Einen konkreten Plan B gibt es aber in der Hinsicht nicht, das Ganze funktioniert nur mit vollem Fokus.

 

NETWORK: Wo und wie habt ihr euer Produkt entwickelt?

Ganz am Anfang im Rahmen eines Kurses an unserer Uni in Karlsruhe. Das war sehr gut, weil wir wöchentliche Meetings mit unserem Betreuer hatten. Wir machen auch recht viel bei Start-up-Wettbewerben in ganz Deutschland mit, wo man Businesspläne einreicht, zu denen man dann wertvolles Feedback kriegt. Das hilft enorm, weil man automatisch dazu gezwungen wird, sein eigenes Geschäftsmodell zu überdenken.

 

NETWORK: Wie bewertest du die Kreativität bei der Produktentwicklung in Start-up-Atmosphäre?

Kreativität ist total entscheidend. Letztendlich ist es Alltag, dass man kreative Lösung finden muss. Es ist ja nicht nur das Design nach außen, vielmehr machen die vielen technischen Finessen, die man auf den ersten Blick gar nicht so wahrnimmt, am Ende den Unterschied aus.

 

NETWORK: In der Presse seid ihr bereits vertreten – brand eins, aber auch die Wirtschaftswoche (WiWo) berichteten über euch. Diese Aufmerksamkeit kann zusätzliche Konkurrenzverhältnisse schaffen. Wie groß ist die Angst, dass euch jemand den Rang abläuft, anderen die medizinische Zulassung etwa schneller gelingt?

Wir müssen verhindern, dass die Konkurrenz unser Produkt kopiert und das Patent umgeht. Wichtig ist deswegen, so schnell wie möglich groß zu werden, um die Durchsetzungsfähigkeit zu haben. Die Angst ist da, klar. Die Frage ist aber, was die Alternative ist. Man muss ja auch an die Öffentlichkeit gehen, um an Finanzierungsquellen zu kommen und Feedback zu kriegen, ob das Produkt überhaupt so gewollt ist, wie wir es planen. Ansonsten entwickelt man das Produkt am Kunden vorbei.

 

NETWORK: Ist der heat_it mit allen Smartphone-Herstellern kompatibel?

Wir werden eine Lightning-Variante für iPhones und eine USB-C-Variante auf den Markt bringen. Das heißt, es gibt dann auch zwei unterschiedliche Apps. Für ältere Android-Geräte ist ein kostenloser Adapter dabei.

 

NETWORK: Wie könnte denn eine erweiterte Version eures Produkts aussehen, gibt es hier schon Ideen?

Wir haben Ideen und auch schon erste Prototypen vorliegen. Für die Hardware selbst wird es keine großen Veränderungen geben, softwareseitig ist aber definitiv Potential da.

 

Das Interview führte Kevin Frese

Zur Person

Lukas Liedtke (M.Sc.), 27 Jahre alt, besucht zunächst die Alte Landesschule in seiner Heimatstadt Korbach. Nach Abitur und FSJ geht er ans Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und studiert hier Maschinenbau, im fortgeschrittenen Semester mit Spezialisierung in der Mikrostrukturtechnik. Stationen als studentische Hilfskraft in diesem Bereich münden 2018 in die Gründung des Start-ups heat it. Derzeit arbeitet der Ingenieur mit Hochdruck an der Markteinführung des Insekten-Sticks. Nach Waldeck-Frankenberg kehrt er immer gerne zurück. Vor allem die hohe Lebensqualität in der Region weiß er zu schätzen.