Florian Christ, was können etablierte Unternehmen von innovativen Startups lernen?

Florian Christ gründete ein Startup für digitale Finanzprodukte. Bei der Network Digitalreise gewährte er Einblicke in Aufbau und Strategien seiner jungen Firma. Im Interview erklärt der gebürtige Nordhesse, wie etablierte Unternehmen mit etwas Mut ihre Prozesse modernisieren und sich auf die Digitalisierung einlassen können. 

 

Network: Florian, als du 2015 Fino gegründet hast, hast du dich bewusst für den Standort Kassel entschieden. Warum?

Florian: Bei einer Unternehmensgründung kommt es vor allem darauf an, dass dein Startup Wachstumspotential hat. Das geht nur mit den richtigen Menschen. 

Nordhessen ist deswegen eine geeignete Region für Gründer: Durch gute Unis hast du hier viele Talente. Diese Menschen sind aber meist auch sehr bodenständig und haben einen Bezug zur Region, weil sie hier verwurzelt sind. Das hält sie einerseits länger in einem Unternehmen oder Startup als in Großstädten. Andererseits machen sich bodenständige Menschen mehr Gedanken darüber, wie sie genau hier erfolgreich sein können, sind also oft sehr motiviert. 

 

Network: Was können kleine und mittlere Unternehmen von Startups lernen?

Florian: Ein großer Unterschied zwischen etablierten Unternehmen und Startups ist ihre Denkweise gegenüber dem eigenen Geschäftsmodell. Ein Startup kann sich nicht darauf ausruhen, was es sich vorgestern ausgedacht hat. Ein so junges Unternehmen hinterfragt sein Geschäftsmodell ständig. Das sollten sich auch etablierte Unternehmen bewahren und sich fragen: Entspricht das, was ich als Unternehmer tue, noch der Erwartungshaltung meiner Kunden? Kann ich meine Produkte und Dienstleistungen besser gestalten? 

Mut ist dabei das Wichtigste. Mut, schnelle Entscheidungen zu treffen. Mut, den Mitarbeitern zuzuhören. Mut, die eigenen Prozesse zu optimieren. – Außerdem kommen wir aus einer Kultur, in der Unternehmer und Chefs ihren Mitarbeitern wenig zugetraut haben. Heute wollen Mitarbeiter aber mehr Verantwortung übernehmen, um das Unternehmen nach vorne zu bringen. Wenn Chefs ihnen das zutrauen, entsteht Großes. 

 

Network: Wie äußert sich diese Schnelligkeit im Startup-Alltag?

Florian: Besonders wichtig für unser junges Unternehmen ist die Drei-Monats-Regel. Danach muss sich ein Produkt, eine Idee oder ein Projekt innerhalb von drei Monaten so validiert haben, dass du weißt, wie du damit Geld verdienen kannst. Denn dann kannst du die nächsten Schritte planen. 

Um die Drei-Monats-Regel einzuhalten musst du stark fokussieren. Da sind wir dann beim Pareto-Prinzip, das besagt, dass du in 20 Prozent der Zeit 80 Prozent des Ergebnisses erwirtschaftest. Für die letzten 20 Prozent bis zum Endergebnis brauchst du jedoch ganze 80 Prozent der Zeit – ein dicker Batzen. In der Regel lohnt es sich nicht diese 80 Prozent zur Perfektion des Ergebnisses zu investieren. Wichtiger ist es schnell zu sein, erste Ergebnisse zu produzieren, Erfolge oder Misserfolge einzufahren und daraus zu lernen. 

 

Network: Lässt sich das auch auf etablierte Unternehmen übertragen?

Florian: Natürlich. Viele große Unternehmen zahlen gerade genau auf diese Denke ein. Früher waren die Produktzyklen viel länger – bei Autos dauerte es etwa sieben Jahre, bis ein neues Modell rauskam. Oft wurde dann auch nicht aus den Erfahrungen des Vorgängermodells gelernt. Heute denken Unternehmen um und machen kleinere Schritte, probieren auch mal etwas aus und lernen aus den Erfahrungen. 

 

Network: Und wie bringen etablierte Unternehmen diese Mentalität des Ausprobierens in ihre Firma?

Florian: Ein Weg könnte es sein für Mitarbeiter und Führungskräfte Freiräume zu schaffen. Wie ein Spielplatz für digitale Produkte auf dem man sich austoben und Neues probieren kann. – Wie kann ich ein Tablet in der Kommunikation mit dem Team oder meinen Kunden verwenden? Wie kann ich Whiteboards beim Teammeeting nutzen? Können wir Reisekosten auch digital abrechnen? 

Wie das genau aussieht, ist natürlich von der Branche abhängig. Wenn sich Mitarbeiter mit Digitalisierung beschäftigen, können sie dem Unternehmen mit optimierten Prozessen nicht nur Geld sparen, sondern werden auch digitalaffiner. Die Mitarbeiter verlieren die Angst vor der digitalen Welt und lassen sich eher auf technischen Fortschritt im Unternehmen ein. 

Zur Person

Florian Christ ist Geschäftsführer und Gründer des Startups Fino, das digitale Finanzprodukte für Banken, Versicherungen und andere Kunden entwickelt. Florian kommt aus Kassel und hat bei der Network Digitalreise 2019 in Frankfurt darüber gesprochen, wie sein Startup gewachsen ist und sich damit das Team und die internen Arbeitsabläufe verändert haben.