Stefan Ulrich, wie digitalisiert man das Handwerk?

Stefan Ulrich ist Malermeister und hat vor fünf Jahren den Malerbetrieb Saure in Goldhausen übernommen. Selbstständig ist er aber schon seit zwölf Jahren und immer weiter in die Führungsverantwortung hineingewachsen. Wie er den Handwerksbetrieb digitalisiert, was ihn inspiriert und was ihm im Umgang mit seinen Mitarbeitern wichtig ist, verrät er im Interview.

 

Network: Herr Ulrich, 2007 haben Sie Ihre Meisterurkunde erhalten, die viele als Eintrittskarte für ein Ingenieurstudium nutzen. Warum haben Sie sich dagegen entschieden?

Stefan Ulrich: In der Meisterschule kam bei mir die Freude am Lernen auf, machte mich hungrig nach mehr Bildung und Wissen. Ein Studium wäre dafür eine Möglichkeit gewesen, aber ich entschied mich dagegen, weil ich einen weisen Ratgeber hatte. Er sagte mir, ich solle mich auf meinen Bereich – das Maler- und Lackiererhandwerk – konzentrieren, mich dem zu 100 Prozent widmen und mich auf dem Gebiet in alle Richtungen entwickeln. Das tat ich. Ich machte Fortbildungen, besuchte Seminare und Schulungen. Heute bin ich Gebäudeenergieberater, Sachverständiger für Schimmelpilz und Feuchteschäden, Wasserschadenstechniker und Energieeffizienzexperte. Titel und Wissen, das ich angesammelt habe und das mich gelegentlich zu einem kompetenten Ansprechpartner für studierte Ingenieure oder Architekten macht.

Stefan Ulrich Malermeister Saure

„Beruflich verbringe ich viel Zeit auf Baustellen oder am Schreibtisch. In meiner Freizeit bin ich aber am liebsten draußen und sportlich unterwegs“, sagt Stefan Ulrich.

Network: Eine Gebäudereinigungsfirma ist mit Ihnen als Gründer an Bord größer geworden, aber den Malerbetrieb haben Sie samt allen Mitarbeitern übernommen. Wie war das für Sie?

Ulrich: Am Anfang musste ich die Mitarbeiter durch fachliche Kompetenz auf meine Seite bringen. Führungsungsverantwortung kannte ich schon aus meiner Zeit in der Bundeswehr. Ich war Zugführer und lernte so auf einer sozialen Ebene, Verantwortung für andere zu übernehmen. Als Geschäftsführer trage ich auch die wirtschaftliche Verantwortung für meine insgesamt 38 Mitarbeiter. Ich muss genug erwirtschaften, um ihnen ihr Gehalt zu zahlen. – Eine Aufgabe, in die man täglich ein Stück mehr hineinwächst.

Network: Was hat sich im Betrieb verändert, seit Sie ihn übernommen haben?

Ulrich: Ich versuche, mich vom traditionellen Führungsstil zu lösen. Ich möchte mit meinem Team auf Augenhöhe sein und Probleme gemeinsam lösen. Denn ich stehe zwar an der Spitze und gehe voran, weiß aber auch nicht immer alles besser. Ich habe zum Beispiel regelmäßige Mitarbeitergespräche und wöchentliche Teamübungen eingeführt und kritisiere konstruktiv. Außerdem versuche ich, den Betrieb immer digitaler zu gestalten.

Network: Digitalisierung und Handwerk – wie passt das zusammen?

Ulrich: Sehr gut! Digitale Helfer können zwar keine Wände streichen, aber in anderer Weise helfen. Wir nutzen zum Beispiel einen digitalen Kalender, damit alle den Überblick behalten, nutzen Social Media Plattformen für Stellenausschreibungen, visualisieren digital eine neue Fassaden- oder Wandfarbe, damit sich Kunden das Endergebnis besser vorstellen können und haben fast alle Mitarbeiter mit Smartphones ausgestattet.

Seit einiger Zeit machen wir digitale Baustellenbesichtigungen. Zunächst dokumentiere ich beim ersten Besuch vor Ort alles – natürlich mit Einverständnis des Kunden. Die Videos und Fotos teile ich dann dem Mitarbeiter zu, der für diese Baustelle verantwortlich ist. Er hat so schon im Vorfeld einen ersten Eindruck und wichtige Infos über das Projekt. Er kann so besser planen, welches Material er vor Ort braucht und wie viel Unterstützung von Kollegen nötig ist. Oft dokumentiert der Mitarbeiter bestimmte Fortschritte mit dem Smartphone und kann sich bei Schwierigkeiten auch mal schnell per Videocall den Rat von mir oder Kollegen einholen. Das spart uns nicht nur Fahrtwege und Zeit, sondern optimiert auch den ganzen Ablauf, da alles transparenter ist. Die Handwerker arbeiten eigenständiger und selbstsicherer.

Mitarbeiter besser feedbacken: Coachin Sonja Hollerbach auf der Network Digitalreise 2019.

Mitarbeiter besser feedbacken: Coachin Sonja Hollerbach auf der Network Digitalreise 2019.

Network: Klingt super, setzt aber auch voraus, dass deine Mitarbeiter mit Firmensmartphone und Computer umgehen können.

Ulrich: Das hat bei den meisten auf Anhieb gut geklappt. Klar mussten wir erstmal festlegen, wie wir sachgemäß mit sensiblen Kundendaten umgehen, aber wer privat ein Smartphone nutzt, kann das auch beruflich. Startschwierigkeiten hat uns nur die Datenschutzverordnung gemacht.

Network: Wo holst du dir Anregungen für Veränderungen im Betrieb?

Ulrich: Ich versuche jede Möglichkeit zum Austausch zu nutzen, egal ob mit Handwerkskollegen oder Branchenfremden. Egal ob du Zahnarzt, Industriemeister oder Kreativer bist, Geschäftsführer aus ganz anderen Branchen haben ähnliche Probleme, wenn es um das Management oder die Mitarbeiterführung geht. Inspirierend fand ich zum Beispiel den Vortrag des Startup-Gründers Florian Christ, den wir auf der Digitalreise von Network in Frankfurt gehört haben. Wie er seinen Mitarbeitern Freiräume schafft und sich selbst organisiert, hat meinen Horizont erweitert. Richtig zum Nachdenken gebracht hat mich, was Coachin Sonja Hollerbach zum Thema Feedback erzählt hat. Ich habe vorher echt unterschätzt, was meine Aussagen gegenüber Mitarbeitern anrichten oder bewirken können.

Network: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person

STEFAN ULRICH

Geschäftsführer des Malermeisterbetriebs Saure und der Gebäudereinigung Ulrich und Davideit & Ulrich

Jahrgang 1980

Meine Heimat ist Korbach

Mein Zuhause ist Korbach

Mein Lieblingsort in Waldeck-Frankenberg ist der Eisenberg in Goldhausen

Das mache ich sonst noch Laufen, Krafttraining, Motorsport und Aktivitäten in der Natur

Mich motivieren meine Familie, Freunde und Mitarbeiter