Ärzte im ländlichen Raum: Aus der Hansestadt, in die Hansestadt

NETWORK: Was schätzt du an unserer Heimat Waldeck-Frankenberg?

Dr. Niederquell: Als allererstes bin ich natürlich froh, nah bei meiner Familie und meinen Freunden zu sein. Weiter schätze ich die Nähe zur Natur. Wir haben hier auf kurzem Wege die Möglichkeit zum Wandern, Mountainbiken, Schwimmen oder Skifahren. Das hat nicht jeder in seiner Umgebung.

NETWORK: Dennoch hat es dich zum Studium nach Marburg verschlagen. Wie war es für dich, nach dem Abitur in einer anderen Stadt zu leben?

Dr. Niederquell: Marburg als Studienort war für mich aus verschiedenen Gründen interessant. Zum einen konnte ich von der Nähe zur Heimat profitieren und dadurch den Kontakt zu meinem Freundeskreis wahren, zum anderen überzeugte mich die Universität Marburg mit ihrer hervorragenden Zahnklinik. Mir war es wichtig, über den eigenen Tellerrand zu schauen und neue Umgebungen zu erkunden, denn nur so kann man schätzen lernen, wo wir hier leben.

NETWORK: Das Studium der Medizin/Zahnmedizin ist ja bekanntlich nicht nur lang, sondern auch besonders anspruchsvoll. Was hat dich dennoch daran fasziniert?

Dr. Niederquell: Durch die Zahnarztpraxis meines Vaters hatte ich schon als Kind die Gelegenheit, mir einen Eindruck von dem Beruf zu machen. Zudem habe ich erfahren, welche Anerkennung die Arbeit als Arzt mit sich bringt. Dieser Eindruck verstärkte sich nochmals während meines Wehrdienstes an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München. Wahrscheinlich hat das eine wesentliche Rolle bei meiner Studienwahl gespielt. Besonders gefallen hat mir am Studium der Zahnmedizin zudem, dass es bereits ab dem ersten Tag auf die Tätigkeit als Zahnarzt ausgerichtet ist und durch diese Facharztausbildung schon früh Gelegenheit bietet, sich zu spezialisieren.

NETWORK: Du hast gesagt, dass Marburg auch wegen seines Studienangebots bei dir punkten konnte. Was hat dich an der Universität Marburg überzeugt?

Dr. Niederquell: In Marburg hatten wir eine relativ kleine Zahl (20-30) an Studierenden in jedem Semester, was ich als sehr angenehm empfand. Leider war das Zahnmedizinstudium durch die vielen Dental-Materialien, die man sich selbst anschaffen musste, sehr teuer. In Marburg gefiel mir jedoch die Gemeinschaft mit meinen hoch motivierten Kommilitonen.

NETWORK: Hast du während deines Studiums neben dieser Gemeinschaft vielleicht auch Erfahrungen mit beruflichen oder studentischen Netzwerken gemacht?

Dr. Niederquell: Ja! Neben dem Studium engagierte ich mich in der Studentenvertretung, welche den Studierenden eine intensive Betreuung zukommen ließ. Weiterhin leistete ich Studienberatung für Studieninteressierte und auch bei den Hochschulerkundungstagen der Alten Landesschule hielt ich Vorträge über mein Studium.

NETWORK: Nun zu einem anderen spannenden Thema in deinem Lebenslauf. Während deiner Famulatur hast du unter anderem auf Samoa praktiziert. Kannst du uns mehr über diesen Aufenthalt erzählen?

Dr. Niederquell: Das Programm wurde vom ZAD (Zahnmedizinischer Austauschdienst) ermöglicht und von uns Studenten eigenverantwortlich organisiert. Ich nahm damals zwischen dem siebten und achten Semester daran teil und startete mit zwei weiteren Kommilitonen aus Marburg. Vor Ort auf Samoa haben wir dann als Zahnärzte gearbeitet. Es war eine wirklich tolle Erfahrung zu sehen, wie man auch mit eingeschränkten medizinischen Mitteln den Patienten helfen kann und ich kann solche Programme jedem nur empfehlen. Wir konnten beispielsweise gemeinsam mit dem Klinikchef auf Samoa Dentalspenden im Wert von 25.000 – 30.000 € organisieren und diese mit Unterstützung einer Airline kostenlos zum Zielort fliegen.

NETWORK: Nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in ländlichen Gebieten werden Ärzte dringend gesucht. Aus welchem Grund hast du dich dafür entschieden, in Korbach zu praktizieren?

Dr. Niederquell: Nach dem Abschluss meines Studiums habe ich zunächst als Assistenzarzt bei meinem Vater in Korbach, danach als angestellter Arzt in einer renommierten Praxis in Hamburg gearbeitet. Mir bot sich die Wahl zwischen dem klassischen Groß- stadtleben und der Selbständigkeit in meinem Heimatort. Entscheidend beeinflusst hat mich der Gedanke, das von meinem Vater aufgebaute Familienunternehmen weiterzuführen und weiterzuentwickeln. Als junger Mensch die Verantwortung über Mitarbeiter und ein Unternehmen zu haben, verlangt mir einiges ab, ist aber dennoch das was ich mir immer vorgestellt habe. Mir war es wichtig, ein persönliches Verhältnis zu meinen Patienten aufzubauen und dafür bleibt in einer Großstadt meist wenig Raum. Rückblickend ist die Selbständigkeit in Korbach für mich die beste Wahl gewesen. Mir gefällt die Dankbarkeit, mit der mir meine Patienten gegenübertreten und das vertrauensvolle Verhältnis, das ich zu ihnen habe.

NETWORK: Jetzt noch zwei abschließende Fragen von unserer Seite. Kannst du das Waldecker Lied singen?

Dr. Niederquell: (lacht) Natürlich! Ich singe es jedes Jahr zu Weihnachten bei den Weihnachtsfreunden. Wollt ihr es hören?

NETWORK: Vielleicht ein andermal! Was wären drei Dinge, die du dir für deinen Landkreis wünschen bzw. die du verbessern würdest?

Dr. Niederquell: Ich würde mich sehr über ein Kino freuen. Außerdem fehlt mir ein Schwimmbad vor Ort mit schöner Saunalandschaft schon sehr. Neben diesen zwei Dingen würde ich mich neben den typischen Kneipen auch über nette Bars und Restaurants freuen – das vermisse ich ein bisschen aus Hamburg.

NETWORK: Dr. Cyril Niederquell, wir danken dir ganz herzlich für das Interview.

Dr. Cyrill Niederquell hat der Veröffentlichung dieses Interviews zugestimmt und sämtliche Rechte daran an NETWORK waldeck|frankenberg abgetreten. Eine anderweitige Verbreitung oder Verwendung obiger Inhalte ist nur nach schriftlicher Genehmigung gestattet.

Zur Person:

Dr. Cyril Niederquell, geboren 1982 in Korbach, absolvierte 2002 sein Abitur an der Alten Landesschule Korbach und studierte von 2003 bis 2008 Zahnmedizin an der Philipps-Universität Marburg. Zwischen 2010 und 2013 absolvierte er zusätzlich den M.Sc. für Kieferorthopädie an der Universität Krems (Österreich) und promovierte im Jahr 2011 zum Dr. med. dent. an der Charité Berlin. Durch einen abgeschlossenen Managementlehrgang in Westerburg erhielt er außerdem den Titel “Betriebswirt der Zahnmedizin”.

Mit zwischenzeitlichen Auslandaufenthalten in Avranches (1997), Brighton (1998), Mexiko (1999-2000), Samoa (2006) und Boston/Harvard (2009) begann er seine Berufstätigkeit 2008 als Angestellter Zahnarzt in Hamburg und gründete 2014 die Praxis Niederquell & Niederquell in Korbach.

www.niederquell.info