Über das Engagement für ein weltoffenes und tolerantes Korbach

NETWORK: Liebe Frau Pries, Sie zeigen mit Ihrem Bürgerbündnis beispielhaftes Engagement, Flüchtlingen die Integration in den Landkreis zu ermöglichen. Wann kam Ihnen die Idee, dieses Netzwerk aufzubauen und wie sind Sie es angegangen?

Pries: Nachdem im Winter 2014 die Pegida-Demonstrationen immer mehr um sich griffen, riefen Dr. Peter Koswig und ich im Januar 2015 zu einer Kundgebung für ein tolerantes und weltoffenes Korbach auf. Die Resonanz war sehr erfreulich, besonders hat uns beeindruckt, wie aufgeschlossen und hilfsbereit viele Menschen an uns herantraten und ihre große Bereitschaft zu aktiver Unterstützung anboten. Wir laden seitdem in unregelmäßiger Frequenz zu Treffen ein, um Sprachpaten zu finden und um Bürger zu ermuntern, Flüchtlingen als Paten bei der Alltagsbewältigung zur Seite zu stehen. In Korbach waren Flüchtlinge lange Zeit dezentral untergebracht und daher getrennt voneinander. Zudem kamen ortsansässige Korbacher nur selten mit ihnen ins Gespräch. Uns war daher schon bei unserem ersten Treffen klar, dass dringend ein verlässlich offener Begegnungspunkt geschaffen werden musste. Die Stadt öffnete daraufhin ihre „gute Stube“, das Bürgerhaus, alle 14 Tage als Treffpunkt.

NETWORK: Welche Probleme ergeben sich bei Ihrer ehrenamtlichen Arbeit?

Pries: Wir haben Probleme, Hilfe „an den Mann“ zu bringen, da wir nicht wissen, wo und ob Hilfe benötigt wird. In diesem Bereich sind wir sehr auf die Unterstützung der MitarbeiterInnen von Stadt und Landkreis angewiesen. Auf unserer Homepage versuchen wir Informationen zu sammeln und zu verbreiten. Dafür ist unsere Seite auch mit der Facebookseite der Stadt Korbach verlinkt, jedoch fehlt unsere Präsenz auf den Seiten der Initiativen der Stadt. Viele Nutzer der Sozialen Netzwerke werden dadurch vermutlich nicht leicht auf uns aufmerksam. Zusammengefasst kann man sagen, dass es uns wohl noch an Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit fehlt, obwohl wir unter anderem auch mit Plakaten, die wir in Korbach verteilt haben, auf unser Bürgerbündnis hinweisen.

NETWORK: Gibt es etwas, das Sie in besonderer Weise bei Ihrem Engagement motiviert?

Pries: Mir ist eine offene und tolerante Demokratie sehr wichtig und ich halte sie für äußerst schützenswürdig. Die Integration von Flüchtlingen kann nur gelingen, wenn wir sie von unseren Werten überzeugen und ihnen im Alltag mit Toleranz, Respekt und Offenheit begegnen. Ich wünsche mir sehr, dass dadurch unsere Gesellschaft für Fremde attraktiv und wichtig wird.

NETWORK: Das sind bemerkenswerte Leitmotive! Und welcher Bereich ist Ihnen im Rahmen Ihrer Initiative wichtig?

Pries: Sicherlich ist das Flüchtlingscafé ein zentrales Anliegen unserer Initiative. Im September öffnete das nicht kommerzielle CaféKlatsch in der Flechtdorfer Straße 13. Hier bietet sich eine gute Möglichkeit, dass sich alte und neue Korbacher kennenlernen. Das CaféKlatsch wird von den engagierten Mitarbeitern von DELTA betrieben und ist dienstags- und donnerstagsnachmittags geöffnet. Außerdem ist es unser Anliegen, die gastfreundliche Seite unserer Stadt bekannt zu machen. Zum Beispiel wird auf den Homepages der Tagesschau und Campact auf unser Bürgerbündnis hingewiesen.

NETWORK: Einen weiteren wichtigen Schritt stellt die Vermittlung von Flüchtlingen an Arbeitgeber dar. Stellt dies auch einen Teil der Arbeit Ihres Bürgerbündnisses dar?

Pries: Nein, darum kümmern wir uns derzeit nicht. Das ist wohl eher eine Aufgabe des Jobcenters beziehungsweise der Sozialarbeiter des Landkreises, die Flüchtlinge betreuen. Ich kann aber von sehr guten Erfahrungen mit zwei Frauen in unserer Praxis berichten, die als kaum deutsch sprechende Praktikantinnen bei uns anfingen, dann beide die Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten absolvierten, ihre Prüfungen bestanden und über Jahre sehr kompetent und loyal mitarbeiteten, beziehungsweise mitarbeiten.

NETWORK: Sie haben Menschen damit nicht nur eine berufliche Perspektive geboten, sondern selber auch einen Äthiopier zu Hause aufgenommen. Was hat Sie dazu bewogen?

Pries: Unsere Kinder sind aus dem Haus, die Zimmer stehen leer. Wir haben immer ein offenes Haus geführt und die dadurch entstandenen Begegnungen haben sich oft als sehr bereichernd erwiesen. Wir kennen Abdu seit einiger Zeit, er ist ein sehr sympathischer junger Mann, der sich gut in unser Leben einfügt und von dem täglichen Umgang mit uns profitiert. Wir sind sicher nicht in der Lage, die Welt zu verbessern, aber wir können für diesen Menschen hoffentlich die Situation etwas zum Guten verändern. Zumindest sind seine Deutschkenntnisse enorm gewachsen.

NETWORK: Liebe Frau Pries, wir danken Ihnen sehr für das Interview, den Einblick in Ihre Arbeit bei der “Bürgerinitiative für ein weltoffenes und tolerantes Korbach” und wünschen Ihnen alles Gute.

Anette Pries hat der Veröffentlichung dieses Interviews zugestimmt und sämtliche Rechte daran an NETWORK waldeck|frankenberg abgetreten. Eine anderweitige Verbreitung oder Verwendung obiger Inhalte ist nur nach schriftlicher Genehmigung gestattet.

Zur Person:

Anette Pries, geboren in Korbach und aufgewachsen in Strothe, absolvierte nach ihrem Abitur 1973 eine Ausbildung zur Krankenschwester in Heidelberg. Nach ihrer Hochzeit und der Geburt ihrer vier Kinder ließ sich ihr Mann 1988 als Allgemeinarzt in Korbach nieder, in dessen Praxis sie seitdem mitarbeitet. Neben der Arbeit interessiert sie sich für Ökologie, Fauna und Flora. Sie engagiert sich politisch und ist ehrenamtlich tätig. Unter anderem hat sie die Initiative “Bürgerbündnis für ein weltoffenes und tolerantes Korbach” mitgegründet und leitet diese seitdem gemeinsam mit Dr. Peter Koswig.

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