Integrationsbeauftragter in Waldeck-Frankenberg – Ein Job mit vielen Facetten

NETWORK: Wieso hast Du dich entschieden, den seltenen Studiengang Orientwissenschaften zu studieren?

Latif:  Ich habe mich schon immer für Politik, Religion und Geschichte interessiert. Themen, mit denen sich dieser Studiengang ausführlich auseinandersetzt. Der Bezug zu meinen syrischen Wurzeln war ein weiteres Kriterium, Orientwissenschaften zu studieren. Im Nebenfach beschäftigte ich mich mit Terror-, Friedens- und Konfliktforschung.

NETWORK: Nun bist du Integrationsbeauftragter, aber wie bist du schließlich zu diesem Beruf gekommen?

Latif: Um ehrlich zu sein, war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Nach meinem Auslandsaufenthalt bewarb ich ich mich zunächst für einen Master. In dieser Zeit nahm Deutschland eine Vielzahl an Flüchtlingen auf und es wurde händeringend nach freiwilligen Helfern gesucht. Auch ich wollte helfen, weshalb ich mich für ein Praktikum in der Ausländerbehörde bewarb. Dort arbeitete ich zunächst als Übersetzer, bevor ich in die Asylbetreuung gewechselt bin. Parallel dazu entwickelte sich die Fachstelle für Migration und Integration. Ich bewarb mich auf eine freie Position und bekam sie auch schlussendlich. Nachdem mein Vorgänger in den Ruhestand ging, nutzte ich die Möglichkeit das Amt des Integrationsbeauftragten zu bekleiden.

NETWORK: Was zählt zu deinen täglichen Aufgaben und wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Latif: Die Aufgaben sind sehr vielfältig und reichen von Koordination, Steuerung und Weiterentwicklung der Integrationsangebote bis zum Aufbau und der Pflege kommunaler Netzwerke. Neben der Koordination von ehrenamtlichem Engagement vertrete ich den Landkreis auf kommunaler, Landes- und Bundesebene und entwickle Strategien und Maßnahmen zur Förderung des Miteinanders in unserem Landkreis. Neben den genannten Tätigkeiten ist es wichtig, immer auf dem neuesten Stand zu sein. So muss ich nicht nur regelmäßig die Nachrichten verfolgen, sondern mich auch über Neuerungen im Asyl- oder Aufenthaltsrecht informieren. Meiner Tätigkeit gehe ich nicht nur im Kreishaus nach, sondern bin auch oft in unserer Landeshauptstadt Wiesbaden oder auf Seminaren unterwegs.

NETWORK: Welche Ziele möchtest Du als Integrationsbeauftragter erreichen?

Latif: Langfristig ist es für mich wichtig, dass alle Menschen Teil der Gesellschaft werden unabhängig von Nationalität, Glauben oder Sonstigem. Wir sind alle Menschen und haben auch das Recht darauf, mit den gleichen Möglichkeiten und Chancen etwas in Deutschland zu erreichen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, ist es aber erstmal wichtig, der Gesellschaft das Thema Integration als Ganzes verständlicher zu machen. Integration bedeutet nämlich keinesfalls, dass die Zugewanderten sich umfänglich unserer Lebensweise und Kultur anpassen müssen. Vielmehr fordert eine erfolgreiche Eingliederung Engagement von beiden Seiten. Zum einen müssen die Menschen hier sich für den Zugewanderten öffnen und zum anderen müssen diese aber auch wirklich an der Gesellschaft teilhaben wollen. Beide Seiten dabei erfolgreich zu begleiten, ist eines meiner Kernziele.

NETWORK: Wie gut schreitet deiner Meinung nach die Integration von Zuwanderern im Landkreis voran?

Latif: Neben der Hilfe von uns Hauptamtlichen unterstützen viele ehrenamtliche Initiativen die Integration im Landkreis. Unsere Aufgabe als Behörde ist es in erster Linie zu steuern und zu organisieren. Viel wichtiger ist es aber, die Menschen an die Hand zunehmen und ihnen den Alltag hier in Deutschland zu zeigen. Dies kann aber nur durch das Ehrenamt gewährleistet werden, weshalb alle Freiwilligen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, eine wichtige Stütze einer funktionierenden Integration sind.

NETWORK: Wo siehst du bei der Integration von Zuwanderern im Landkreis noch Verbesserungsbedarf?

Latif: Ein großes Problem ist in erster Linie die Integration der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt. Die größte Hürde stellt hierbei sicherlich die Sprachbarriere da. Beherrschen die Menschen die deutsche Sprache, ist dies ein erster großer Schritt in die Arbeitswelt. Auch wenn ein gewisses Sprachniveau durch den Besuch von Sprachschulen erreicht wird, ist dieses meist nicht ausreichend, um eine Ausbildung zu beginnen.  Auch an der Mobilität der Zugewanderten muss noch gearbeitet werden. Sie besitzen in den seltensten Fällen einen Führerschein, geschweige denn ein Auto und das bei dem flächengrößten Landkreis Hessens.

NETWORK: Gibt es auch für Schüler und Studenten die Möglichkeit, sich für Zuwanderer zu engagieren?

Latif: Bisher haben wir kein konkretes Projekt bei denen sich Schüler oder Studenten bewerben können, um einen “Tandempartner” zu bekommen. Bei einem solchen Konzept bekommt jeder Ehrenamtliche jemanden zugewiesen, den er im Alltag unterstützt. Dennoch gibt es im Landkreis viele Möglichkeiten sich einzubringen. Zum einen helfen die verschiedenen ehrenamtlichen Initiativen gerne weiter und zum anderen können sich Interessierte auch gerne an unsere Fachstelle im Kreishaus oder direkt an mich wenden.

Zur Person:

Latif Hamamiyeh Al-Homssi 1990  in Deutschland geboren. Seine Fachhochschulreife absolvierter er im Jahr 2010 an den beruflichen Schulen in Korbach. Aufgrund des Bezugs zu seinen syrischen Wurzeln entschied sich Latif nach dem Schulabschluss für den Studiengang Orientwissenschaften an der Universität Marburg, welchen er 2014 mit dem Bachelor abschloss. Nach einem siebenmonatigen Auslandsaufenthalt in verschiedenen Ländern der Welt und mehreren Stationen in der Kreisverwaltung ist er seit April 2017 Integrationsbeauftrager des Landkreises Waldeck-Frankenberg.

http://www.landkreis-waldeck-frankenberg.de